Anarchistisches Denken und Experimentieren kreist um wichtige und komplizierte Fragen: Wie können wir uns Macht aneignen und anwenden, ohne sie zu neuer Herrschaft zu verfestigen?
Wie konkrete Utopien verwirklichen, um Brücken von der dominierenden Gesellschaftsform zur erstrebenswerten zu schlagen? Wie können wir die radikale Transformation der Gesellschaft und der Einzelnen zusammen denken? Was sind Staat, Politik, Demokratie eigentlich tatsächlich und auf welche Weise können wir mit ihnen umgehen?
Wenngleich Anarchismus phasenweise immer wieder angesagt ist, beruht die theoretische Beschäftigung mit ihm meistens auf dem „klassischen Anarchismus“ (vor 1939), Beiträgen im Zine-Format oder der Adaption von Entwicklungen aus anderen kritischen Theorieströmungen. Dies ist jeweils gut und sinnvoll. Dennoch gibt es auch neuere (anti)politische Theorien des Anarchismus. Sich mit ihnen zu befassen, kann uns helfen, Anarchie aus dem Zerrbild, angestaubt, szene-exklusiv oder gar theorielos zu sein, herauszuholen.
Die Grundlage des Diskussionskreises bilden verschiedene Texte zur anarchistischen politischen Theorie. (Diese erhaltet ihr beim ersten Treffen. Weil damit ein bestimmtes Konzept verfolgt wird, gibt es eine Vorauswahl. Viel davon in Englisch) Im Unterschied zum Lesekreis, ist es keine Voraussetzung, die Texte zu lesen (schadet aber auch nicht). Zum Einstieg wird es jeweils einen ca. 20-30 minütigen Input zu den
Grundgedanken und Stilen der ausgewählten Büchern geben. Davon ausgehend können wir gemeinsam diskutieren, was uns die vorgestellten Theorien für unser Denken, Handeln, Leben bringen.
Wenn ihr mitmachen wollt, zählt einfach euer Interesse. Kommt gern auch vorbei, wenn ihr nichts mit Uni zu schaffen habt. Die Teilnahme an einzelnen Treffen ist auch möglich.
Termine
1) 15.1. Einstieg: Warum neue (anti)politische Theorien des Anarchismus?
Persönliche Vorstellung, Vorstellung von Konzept und Rahmen, Bedürfnisse und Interessen, Thesen zur Erneuerung anarchistischer Theorie, Problem der Akademisierung anarchistischer Theorie
2) 22.1. Wie zum neuen Anarchismus hinführen?
Loick, Daniel, Anarchismus zur Einführung, Hamburg 2017, 9-47
Milstein, Cindy, Der Anarchismus und seine Ideale, Münster 2013, S. 14-58.
Gordon, Uri, Hier und Jetzt. Anarchismus in Theorie und Praxis, Hamburg 2010, S. 49-72.
[eins davon]
3) 29.1. Ein Ziegelstein als anarchistisches Compendium
Levy, Carl/Matthew Adams, The Palgraves Handbook of Anarchism, 2019, S. 1-23.
4) 5.2. Immer wieder notwendig: Anarchistische Demokratiekritik
CrimethInc, From Democracy to Freedom. Der Unterschied zwischen Regierung und
Selbstbestimmung, Münster 2018, S. 7-20, 56-72.
5) 12.2. Eine anti-hegemoniale Hegemonietheorie
Day, Richard J.F., Gramsci is Dead. Anarchist Currents in the Newest Social Movements, London/Ann Arbor 2005, S. 1-13, 31-43, 54-65, 213-217.
6) 19.2. Im Spannungsfeld zwischen Politik und Anti-Politik
Newman, Saul, The Politics of Postanarchism, Edinburgh 2010, S. 1-15.
7) 26.2. Zwischenreflexion
entweder: flexibler Termin für eventuelle Pause, Thema zum Vorschlag der Teilnehmenden oder offene
Diskussion
8) 4.3. Anarchistische Dialektik und kommunitaristischer Anarchismus
Clark, John The Impossible Community. Realizing Communitarian Anarchism, New York/London 2013, 1-26.
9) 11.3. Ethik als anarchische Meta-Politik
Critchley, Unendlich fordernd. Ethik der Verpflichtung, Politik des Widerstands, Zürich/Berlin 2008, S.105-111, 122-136, 142-160.
10) 18.3. Post-situationistische Erweiterung des Vorstellbaren
Graeber, David, Direct Action. An Ethnography, Oakland/Edinburgh 2009, S. 509-537.
11) 25.3. Die falsche Kluft überbrücken
Portwood-Stacer, Laura, Lifestyle Politics and Radical Activism, New York/London 2013, S. 131-161.
12) 1.4. Abschlusstreffen
Zusammenfassung, Rückmeldung, Ausblick